Die politische Rolle des Königs

Im politischen Bereich beinhaltet die Funktion des Königs nicht die Ausübung persönlicher Macht. In seinen Kontakten mit politischen Protagonisten macht der König Vorschläge, erteilt er Ratschläge, formuliert er Warnungen und gibt er Anregungen. Dabei achtet er vor allem auf die Kontinuierlichkeit, langfristige Ziele und "große Projekte" für das Land und den Staat.

Dialog

Der König spielt seine Rolle im politischen Entscheidungsprozeß durch den Dialog. In einem Land wie Belgien ist dieser Dialog nicht nur mit dem Parlament und der Regierung zu führen, sondern auch mit den zahlreichen Instanzen, die in dem Vorfeld der eigentlichen Entscheidungen eine Rolle spielen. Das erklärt, warum der König nicht nur Kontakte mit Politikern pflegt, sondern mit all denjenigen, die in diesem Land einen Einfluß haben auf wirtschaftlichem, sozialem, akademischem, kulturellem, sportlichem ...Gebiet. Gleichzeitig stellen diese Gespräche, deren Inhalt immer vertraulich bleibt, für den König eine wertvolle Informationsquelle dar, die es ihm ermöglicht, seinen Einfluß auszuüben.

Die Bedeutung und die Wirkung der politischen Handlungen des Königs variieren je nach den Umständen und entsprechend dem Rhythmus des öffentlichen Lebens. Es gibt Zeiten wo die Rolle des Königs deutlicher wahrgenommen werden kann. Besonders kurz nach den Wahlen, wenn er einen "Informateur", dann einen "Formateur" der Regierung wählt.

Eid

Im Artikel 91 der Verfassung wird festgelegt, daß der König den Thron erst dann besteigen darf, nachdem er vor den vereinigten Kammern den folgenden Eid geleistet hat: "Ich schwöre, die Verfassung und die Gesetze des belgischen Volkes zu achten, die nationale Unabhängigkeit und die Unversehrtheit des Staatsgebietes zu wahren".

Was ist die genaue Bedeutung und der tiefere Sinn dieses Eides? Erstens stellt dies ein feierliches und persönliches Engagement dar, so wie es in der Verfassung auch zum Ausdruck kommt. Der explizite Hinweis auf die nationale Unabhängigkeit und die Unversehrtheit des Staatsgebietes hängt wahrscheinlich mit den zum Zeitpunkt des Zustandekommens der Verfassung herrschenden Verhältnissen zusammen. Belgien war ein neuer souveräner Staat, dessen Grenzen noch angefochten wurden. Die belgischen Könige haben es immer als eine besondere Pflicht betrachtet, diese beiden Aspekte zu gewährleisten.

Weitere Aufgaben

Der König kombiniert diese politischen Funktionen mit einigen weiteren Aufgaben.

Erstens befehligt er die Streitkräfte. In der jüngeren Geschichte Belgiens hat die Interpretation dieses Ausschnittes aus der Verfassung zu Kontroversen und sogar zu Konflikten zwischen einigen Königen und ihren jeweiligen Regierungen geführt. Der Kern der Frage war, ob die militärische Rolle des Königs in Kriegszeiten der ministeriellen Verantwortung unterliegt. Heutzutage stellt sich diese Frage in der Praxis nicht, da der Großteil der belgischen Streitkräfte in einem solchen Fall unter das integrierte Kommando der NATO kommen würde.

Trotzdem hat die militärische Rolle des Königs ihre Bedeutung nicht ganz verloren. Es ist nach wie vor eine seiner Hauptaufgaben, zu gewährleisten, daß die Streitkräfte auf eine angemessene Weise weiter funktionieren können, und gleichzeitig die Politiker und die öffentliche Meinung in Belgien an die nationalen und internationalen Verpflichtungen in Sachen Landesverteidigung zu erinnern.

Ein ganz anderer Aspekt der Rolle des Königs ist seine tägliche Aufgabe, gegenüber seinen Ministern als Vermittler aufzutreten, wenn sich die Bürger mit ihren privaten Bitten an ihn wenden, wenn sie unter dem politischen und Verwaltungssystem zu leiden hatten.